Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Seit meiner Geburt lebe ich in Dessau - und das sehr gerne.

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Nach der Schule absolvierte ich eine Ausbildung zur Melkerin, weil ich trotz sehr guter Zeugnisse keine Zulassung zum Abitur erhalten hatte. Das Abitur machte ich nach der Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg, also an der Abendschule, während dieser Zeit arbeitete ich zwei Jahre als Briefträgerin. Danach studierte ich Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin und wurde Diplom-Agraringenieurin. Ich arbeitete noch ein Jahr als Fraktionsgeschäftsführerin in der Kommunalpolitik, bevor ich erstmalig Abgeordnete wurde.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Die Umweltverschmutzung in der DDR war enorm. Besonders in meiner Heimat waren die Mulde und Elbe durch die Chemiefabriken in Bitterfeld und Wolfen extrem verdreckt und biologisch tot. Deshalb begann ich mich Ende der 80er Jahre der Umweltschutzbewegung der DDR anzuschließen und engagierte mich in einer Gruppe junger Leute, die sich für eine bessere Verkehrsplanung und Denkmalschutz in Dessau einsetzte und auch ganz handfest ein Stück historische Stadtmauer sanierte. Die sogenannte Wende 1989 habe ich dann wechselweise in Berlin und Dessau erlebt, war erst demonstrieren, dann am Runden Tisch und gründete die Grüne Partei in der DDR mit.

Was treibt Sie an?

Der Wahnsinn, mit dem wir unsere natürliche Lebensgrundlagen beschädigen und zerstören - das Klima anheizen, die Meere vermüllen, den Plastikmüll über den ganzen Globus verteilen und unseren Boden auslaugen und mit Gülle voll pumpen. Und die große Ungerechtigkeit des Wirtschaftssystems, das den Wohlstand global betrachtet extrem ungerecht verteilt und die soziale Spaltung auch bei uns zunimmt.

Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Ich möchte weiter im Umweltausschuss arbeiten und meinen Beitrag zur Lösung von Klimakrise, Artensterben und Plastikvermüllung leisten. Das kann niemand alleine, aber ich kann dafür sorgen, dass diese Themen nicht unter die Räder kommen und von Debatten über innere Sicherheit oder den neuesten Aufreger über Donald Trump verdrängt werden.

Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?

Botschafterin für Sachsen-Anhalt sein, dafür sorgen, dass wir im Wettbewerb mit anderen Bundesländern mithalten können, uns nicht alle Lehrer und Polizisten von reicheren Ländern abgeworben werden, dafür sorgen, dass für den unausweichlichen Ausstieg aus der Braunkohle ein Strukturwandelprogramm aufgelegt wird, weiter für den Schutz unserer tollen Naturlandschaften wie beispielsweise der Elbe kämpfen.

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?

Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode die Trendwende beim CO2-Ausstoß schaffen, sonst wird die Klimakrise zur Klimakatastrophe und sie wird dann nicht mehr beherrschbar sein.

Wir müssen die Stabilität unseres Rechtsstaates - bei allen Schwächen, die es gibt - gegen Populisten und Nationalisten von Innen und Außen verteidigen.

Europa hat 70 Jahre Frieden erlebt. Das ist ein unschätzbares Vermächtnis, deshalb müssen die Rüstungsexporte runter. Wir müssen die Entwicklungshilfe aufstocken und besser machen, statt den Militärhaushalt zu verdoppeln.

Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?

Ja, den gibt es. Wir brauchen mehr Transparenz in den politischen Prozessen und mehr Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger – jenseits von Wahlen. Ich sehe außerdem die große Herausforderung, woher wir in Zukunft verlässliche Informationen – für Bürger und Politiker - beziehen. Die Versuche Fakten zu verfälschen, durch Desinformation Vorteile zu erlangen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, gab es schon immer, aber sie nehmen massiv zu und werden immer perfider.

Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?

Die Probleme und Konflikte sind komplexer, globaler und schlichtweg mehr geworden. Unsere Gesellschaft hat die Kraft und die Fähigkeit sie zu bewältigen, wenn wir uns klug und mutig zugleich verhalten, statt da zu sitzen und zu hoffen, dass es an uns schon irgendwie vorbei ziehen möge. Wenn wir nach vorne schauen, ohne unsere positiven Wurzeln und Traditionen zu vernachlässigen, wenn wir handeln, statt abzuwarten oder uns weg zu ducken, dann können wir unseren Kindern und Enkeln eine bessere Welt hinterlassen als wir sie vorgefunden haben.