Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?
Mit einer Unterbrechung seit 2004. Ich bin berufsbedingt zwischendurch mehrfach innerhalb von ganz
Deutschland umgezogen und dann doch wieder im schönen Halle an der Saale gelandet.

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?
Ich habe zunächst Anglistik und Kunstgeschichte auf Lehramt studieren wollen und es aber schnell drangegeben zugunsten eines Designstudiums. Danach habe ich als Spielraum- und Ausstellungsplanerin in verschiedenen Agenturen gearbeitet. Nebenbei habe ich partizipative Kinder- und Bürgerprojekte in Deutschland und Osteuropa begleitet und arbeite nun an der Kunsthochschule.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Ich habe schon seit der fünften Klasse Unterschriftenaktionen gestartet, kleine Vorträge gehalten und Umweltgruppen gegründet, um Dinge anzupacken oder auf sie aufmerksam zu machen. Ich war viel auf Demos und habe auch mal damit geliebäugelt, in eine Partei einzutreten, aber es nie getan, weil mich der klassische Parteiapparat abgeschreckt hat. Durch meine Arbeit und eine Weiterbildung zur Prozessmoderatorin bin ich mit Beteiligungsprojekten in Berührung gekommen und habe gemerkt, dass es möglich ist, Menschen sehr konstruktiv und direkt an Gestaltungs- oder Entscheidungsprozessen zu beteiligen und was für eine wunderbare Demokratiebildung damit einhergeht.

Was treibt Sie an?
Der feste Glaube an die guten Ideen, die alle Menschen mit sich tragen und an das großartige Potential, das sich entfaltet, wenn sie sich mit vielen anderen zusammentun.

Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Meine persönliche Themen sind Bildung, Umwelt, Gleichberechtigung und Beteiligung. Eine unserer Initiativen, die ich vertreten werde, fordert eine deutliche Anhebung der Bildungsausgaben, die nachhaltige Sanierung von Schulen und Kindergärten und langfristig die schrittweise Entwicklung eines verbesserten Schul- und Bildungssystems, das unserer Zeit und der Zukunft unserer Kinder gerecht wird. Übergeordnet möchte ich mich außerdem dafür einsetzen, dass ein ganzheitliches Verständnis von wirtschafts- umwelt- und sozialpolitischen Zusammenhängen entsteht und gelebt wird. Vieles ist untrennbar miteinander verzahnt und kann nicht einzeln betrachtet werden.

Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?
Ich hätte einige Ideen aber da DiB von direkter Beteiligung lebt, würde ich hier vor Ort vor allem gerne breit angelegte Beteiligungsprojekte aufziehen, um die Menschen zu wichtigen Maßnahmen in ihrer Heimat zu befragen und sie in mögliche Lösungsansätze mit einzubinden.

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?
Klimawandel – denn wir leben in einem ökologischen System, das sich nicht nach unserer Bequemlichkeit richtet und wir kommenden Generationen einen lebenswerten Planeten hinterlassen müssen.
Frieden. Innen wie außen. Wir erleben momentan eine emotionale Zeit mit vielen Herausforderungen und Spannungen, die die Gesellschaft zunehmend spaltet. Auseinandersetzungen werden zunehmend populistischer und unsachlicher, was mich erschreckt. Es ist eine wichtige Aufgabe, die Menschen wieder näher zueinander zu bringen, anstatt sie gegeneinander aufzuhetzen.
Soziale Gerechtigkeit. Für ein Land mit Rekordeinnahmen im Export ist es sehr verwunderlich, dass immer mehr Kinder und Rentner von Armut betroffen sind. Wirtschaftliche Interessen dürfen keinen höheren Stellenwert haben als das Leben und Auskommen der Menschen.

Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?
Ich denke ja. Wir haben zwar das große Glück in einem friedlichen, wirtschaftsstarken demokratischen Staat zu leben, aber für viele Menschen ist die politische Demokratie ein kompliziertes bürokratisches und undurchsichtiges Gebilde. Viele fühlen sich ausgeschlossen oder haben sogar das Interesse ganz verloren. Interessenvertreter aus der Wirtschaft verspielen außerdem zunehmend das Vertrauen in die Politik. Es gibt viel Handlungsbedarf. Ein Lobbyregister wäre ein Anfang. Und es gibt tolle Beispiele für Projekte in politischer Bildung und Demokratievermittlung an Schulen. Die gehören unbedingt bundesweit gefördert, damit junge Menschen Lust auf Politik bekommen und verstehen, dass ihr Engagement zählt!

Für DiB ist Demokratie und Mitbestimmung das zentrale Thema. Wir möchten ‚Partei’ ganz neu denken und Mitbestimmung zu jeder Zeit möglich machen. Unser Initiativprinzip ermöglicht es jeder/jedem jederzeit Ideen und Initiativen zu schreiben, zu diskutieren und mit genug Unterstützern ins Wahlprogramm zu bringen. Einzige Bedingung sind unsere vier Grundwerte, mit denen die eingebrachten Ideen übereinstimmen müssen: Mitbestimmung und Transparenz, Vielfalt und Weltoffenheit, Gerechtigkeit, Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit.

Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?
Eine große Frage zu der ich mir nicht anmaßen möchte, die eine Antwort zu haben. Es gibt viele verschiedene große Probleme, die einander bedingen.
Ich empfinde es u.a. als ein großes Problem, dass wirtschaftliche Interessen so viel Macht haben, dass sich vieles andere stets unterordnen muss und dann oft Mensch oder Natur unter den Konsequenzen zu leiden haben. Ich beobachte mit Sorge, dass Frieden und Solidarität untereinander keine Selbstverständlichkeit sind und laute populistische Stimmen mit einfachen Antworten viel Gehör bekommen. Ich wünsche mir mehr Mut, Offenheit, Gespräch und Zusammenhalt für eine friedliche und konstruktive gemeinsame Zukunft!