Interview
Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?
seit 1979
Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?
Ich habe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zwischen 1979 und 1983 >Sozialistische Volkswirtschaft< studiert und 1987 promoviert. Zugleich habe ich seit 1983 Seminare in Wirtschafts- und Sozialgeschichte gegeben. Letzteres habe ich bis Ende 1991 gemacht. 1988/89 habe ich bei FDJ-Kreisleitung der Uni gearbeitet. Ende 1991 habe ich meine Arbeit an der Uni beendet, weil ich im gleichen Jahr in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt wurde. Als Mitglied des Landtages war ich 14 Jahre Fraktionsvorsitzende und habe vor allem die Themen Wissenschafts- und Forschungspolitik bestritten. 2005 wurde ich in den Deutschen Bundestag gewählt und war Stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Meine Themen waren wiederum Wissenschafts- und Forschungspolitik; zudem Technologie- und Innovationspolitik, Netzpolitik und bioethische Fragen. Seit 2013 bin ich Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE und für alle parlamentarischen Fragen wie auch für Personal und Haushalt der Fraktion verantwortlich.
Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Abgesehen davon, dass mich Politik schon immer interessiert hat, bin ich konkret bei einem Bier von einem Freund gefragt worden, ob ich nicht kandidieren wolle. Wie man sieht, habe ich bejaht.
Was treibt Sie an?
Wissenschafts- und Forschungsthemen fesseln mich am meisten. Ich wollte und will dafür sorgen, dass überall dort, wo an neuen Impulsen für gesellschaftlichen Fortschritt gearbeitet wird, Menschen beste Bedingungen für ihre Arbeit vorfinden.
Gleiches gilt für mein zweites „Leidenschafts-“Thema: die Netzpolitik. Auch hier treibt mich die Neugier, zu erfassen, welche positiven, insbesondere auch sozialen und soziokulturellen Fragen mit der Digitalisierung der Gesellschaft einhergehen.
Bei den bioethischen Themen wie bspw. Sterbehilfe, Präimplantationsdiagnostik und Stammzellforschung waren es vor allem die damit verbundenen menschlichen Schicksale, die mich veranlasst haben, Menschen in solch schwierigen Lebensentscheidungen ihre Selbstbestimmung und Würde zu sichern.
Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Ich möchte natürlich gern meine bisherigen Themen auch weiter bearbeiten. Es wird mir dabei immer wichtiger, auch aufzuklären, dass die innovativen Potenziale nur dann zum Nutzen von Gesellschaft und Gemeinschaft umgesetzt bzw. angeeignet werden können, wenn wir dafür auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen schaffen. Unter diesen Prioritäten müssen Verteilungsentscheidungen fallen.
Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?
In meinem Wahlkreis Halle wie überhaupt für Sachsen-Anhalt öffnen sich Lebensperspektiven, wenn nachwachsende Generationen beste Bedingungen zum Aufwachsen, Lernen, Lehren, Forschen und beim Nutzen innovativer Ideen bekommen. Ein Land in Bewegung statt in Versteinerung. Wer im Land aufwächst oder hierher kommt, wird sich wohl fühlen, wenn auch eigene Wege selbstbewusst gefunden und gegangen werden können. Nicht wie es alle machen, soll der Maßstab im Land sein, sondern wie wir es gemeinsam besser vorantreiben können.
Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?
Bildung von Anfang an – das Beste und Meiste für Kinder – soziale Herkunft darf keine Rolle spielen.
Gute Arbeit – gleich ob als Beschäftigte/r oder in Selbständigkeit – dazu müssen Löhne, Gehälter, Vergütungen und Honorare mindestens gleich hoch, nicht gleich niedrig, in Ost und West sein.
In Würde und ohne Armut seinen Lebensabend verbringen – Menschen sollen von ihrer Rente sorglos leben können und Pflege soll ihnen das älter werden erleichtern.
Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?
Ja, es gibt Veränderungsbedarf. Menschen müssen mehr direkte Beteiligungsrechte bekommen. Wir brauchen eine andere politische Kultur. Politik muss mehr Transparenz in Entscheidungs- insbesondere Verteilungsprozesse bringen. Ich persönlich spreche mich auch dafür aus, dass die starren Abgrenzungen zwischen Opposition und Regierungsfraktionen im Bundestag fallen. Ich wünschte mir Mehrheitsentscheidungen in der Sache wie das bspw. bei der Abstimmung über die „Ehe für alle“ war.
Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?
Ich empfinde die wachsende und unverschämte Spaltung der Gesellschaft am schlimmsten. Da Megareiche, die sich den Reichtum ungeniert und nahezu ungeschmälert ohne eigene Leistung über Jahrzehnte vermachen. Und dort Menschen, deren Lebensalltag von Armut bestimmt bzw. von Armut bedroht wird, obwohl sie sich jeden Tag in Jobs oder nach Jobs „aufreiben“. Wir verlieren als Gesellschaft, wenn es uns nicht gelingt, diese zivilisatorische Aufgabe von gerechten Lebensverhältnissen, insbesondere für Kinder, zu lösen. Deshalb ist die Verteilungsfrage politisch für mich immer wichtiger geworden.