Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Von Geburt an.

 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Ich bin Studentin.

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Durch die letzte Bundestagswahl. Zu dieser Zeit ging ich noch zur Schule und als Erstwähler*innen sollten wir im Sozialkundeunterricht Vorträge über die Parteien halten. Ich habe die Grünen gewählt, da deren Büro auf meinem Heimweg lag. Dort habe ich viele Fragen gestellt, diskutiert und war dann häufiger dort. Nach einem Jahr Bedenkzeit habe ich mich dann dazu entschlossen, Mitglied zu werden. Politik war in meinem Leben jedoch immer vorhanden. Meine Großeltern sind in der SPD, das prägt natürlich.

 

Was treibt Sie an?

Wenn man Veränderungen will, muss man sich selbst darum kümmern, sonst tut es niemand. Zu erwarten, dass sich andere um meine Wünsche kümmern, wäre mir zu bequem. Spaß macht Politik auch.

 

Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

In den Bereichen Frauen und LSBTI* gibt es noch viel zu tun. Noch immer haben wir keine

vollständige Gleichstellung erreicht. Die Ehe für Alle war nur der Anfang. Wir brauchen beispielsweise einen bundesweiten Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo-, Bi- und Trans*phobie und eine Reform des Transexuellengesetz. Frauen müssen besser gefördert werden, was nur mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert. Wir haben da viele gute Ideen zur Zeit- und Familienpolitik, so zum Beispiel eine flexible Vollzeit, die sich zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche bewegt oder die Möglichkeit, Geld in Höhe des Elterngelds zu erhalten, wenn Angehörige gepflegt werden.

 

Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?

Als Flächenbundesland stehen Sachsen-Anhalt große Veränderungen bevor. Sachsen-Anhalt ist durch Landwirtschaft und Kohle geprägt, wozu wir Grüne eindeutige Positionen vertreten. Den Ökolandbau fördern wir, während wir aus der industriellen Massentierhaltung innerhalb der nächsten 20 Jahre aussteigen wollen. Das funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen. Auch aus der Kohle wollen wir aussteigen; die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke wollen wir sofort abschalten. Das trifft Sachsen-Anhalt und insbesondere meinen Wahlkreis. Auch das funktioniert nicht gegen die Menschen, sondern nur mit ihnen. Gemeinsam mit den Menschen wollen wir diese Veränderungen bewirken, Kompromisse erreichen, mit denen möglichst viele einverstanden sind. Dazu müssen wir alle miteinander reden und die Kommunen mit dem Land und dem Bund besser zusammenarbeiten. Doch ich denke, dass wir für Sachsen-Anhalt viel erreichen können, wenn wir hier erneuerbare Energien und grüne Technologien ausbauen und damit auch wieder mehr junge Menschen in die Region kommen. Sobald der Breitbandausbau erfolgt ist, bietet die Metropolregion Halle-Leipzig viele Möglichkeiten für Start-Up-Unternehmen.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?

Ein wichtiges Thema ist der Klimaschutz. Die Auswirkungen der Klimakatastrophe spüren wir auch in Sachsen-Anhalt. Um diese aufzuhalten, bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Deutschland muss in dem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen und mit gutem Vorbild vorangehen. Unsere natürliche Lebensgrundlage müssen wir bewahren, um ein Leben auf diesem Planeten zu bewahren. Dabei dürfen Umweltschutz und Arbeitsplätze nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt kein Entweder-Oder, Umweltschutz und Arbeitsplätze funktionieren sehr gut zusammen. So wollen wir keine Autos abschaffen, wir wollen, dass die Autos der Zukunft, also Elektroautos, in Deutschland hergestellt werden, um den Anschluss nicht zu verlieren und Arbeitsplätze zu bewahren. Wir wollen erneuerbare Energien ausbauen, welche weit mehr Arbeitsplätze als die Kohleindustrie bieten.

Ein weiteres Thema ist die Generationengerechtigkeit. Trotz nun langsam wieder steigender

Geburtenrate ist unsere Gesellschaft überaltert. Das stellt uns vor mehrere Probleme: Pflegekräfte fehlen schon jetzt, in vielen Bereichen gehen in den nächsten Jahren viele Beschäftigte in Rente - so zum Beispiel viele Lehrer*innen – und die Anzahl derer, die in die Rentenkasse einzahlt, wird immer geringer, muss größere Beträge einzahlen und erhält dann selbst weniger Rente. Die Rente schützt schon heute Menschen nicht mehr vor Altersarmut. Die jetzigen Rentner*innen benötigen also mehr Rente. Doch dabei muss auch an die Zukunft gedacht werden. Rente muss so gestaltet werden, dass auch Menschen, die erst in einigen Jahrzehnten in Rente gehen, etwas davon haben, dass sie 40 Jahre und mehr in die Rentenkasse eingezahlt haben. Deswegen wollen wir, dass alle in eine gemeinsame Rentenkasse einzahlen, auch Beamte und Abgeordnete. 

Das dritte Thema ist Bildung. Diese beginnt in der Kita. Wir benötigen mehr Erzieher*innen, was wir durch bessere Vergütung und eine kostenlose Ausbildung erreichen wollen. Schulen müssen vielerorts saniert werden, dafür braucht es Gelder vom Bund, die nur dann eingesetzt werden können, wenn das Koopereationsverbot abgeschafft wird. Neben der Sanierung von Schulen müssen Schulen auch auf eine digitale Zukunft vorbereiten und entsprechende Inhalte vermitteln. Auch der Lehrer*innenberuf muss aufgewertet werden und die Studienplätze sowie Referendariatsplätze erhöht werden, was jedoch in die Kompetenz der Länder fällt. Ausbildungen müssen besser vergütet und kostenlos sein, so auch das Studium. Das bedeutet, dass wir keine Studiengebühren einführen wollen. Auch das Bafög wollen wir umstrukturieren und ermöglichen, dass dieses nicht mehr zurückgezahlt werden muss, sodass junge Menschen nicht mehr jahrelang auf riesigen Schuldenbergen sitzen und somit in ihrer Lebensplanung eingeschränkt werden.

 

Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?

Bei diesem Thema benötigt es in zwei Bereichen Veränderungen.

Bereich 1 ist die Transparenz. Ein Lobbyregister, öffentliche Sitzungen von Ausschüssen und mehr Informationen zu Nebeneinkünften von Abgeordneten wären Schritte dazu. Bereich 2 ist die Teilhabe. Politik ist mehr als alle paar Jahre zur Wahl zu gehen. Menschen müssen sich mehr in Politik einbringen können und einbezogen werden, so zum Beispiel in den Kommunen, wo sie beispielsweise mehr Einfluss auf die städtebauliche Gestaltung ihrer Kommunen erhalten sollten. Auch ein Wahlrecht ab 16 kann zu mehr Teilhabe beitragen. Zur Teilhabe gehört jedoch auch, dass alle die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu informieren, was auf die Barrierefreiheit von Informationen anspielt. Politische Inhalte müssen vermehrt in leichter Sprache, Gebärdensprache und in vorgelesener Form verfügbar sein, um mehr Menschen an Politik beteiligen zu können.

 

Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?

Ein lauter Teil der Gesellschaft fühlt sich nicht mehr gehört bzw. repräsentiert. Das äußert sich in Wut und Hass, der sich oft gegen die richtet, denen es wirtschaftlich ähnlich schlecht oder schlechter geht. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, doch nicht alle Menschen in Deutschland haben etwas davon. Einige befürchten den sozialen Abstieg, in den neuen Bundesländern befürchten einige den nach der Wende erneuten sozialen Abstieg. Daraus erwächst Neid auf die, denen es vermeintlich, jedoch nicht reell besser geht.  Manche Menschen fühlen sich nicht mehr sicher, da sich durch Smartphones und Soziale Netzwerke, reelle und erfundene Straftaten schneller und detailreicher verbreiten als es noch vor einigen Jahren der Fall war. All das schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stärkt Populist*innen, die keine Lösungen bieten. Lösungen entstehen nicht durch ein Gegeneinander, sondern nur miteinander. Politik und Bevölkerung dürfen sich nicht von einander abgrenzen, sie müssen zusammenarbeiten, miteinander reden, Standpunkte erklären, aber auch zuhören. Das trifft auf beide „Seiten“ zu. Das bedeutet für Politiker*innen, dass sie nicht nur immer selbst reden, sondern vermehrt auch zuhören. Für die Bevölkerung bedeutet das, die Möglichkeiten zum Dialog und zur Gestaltung zu nutzen und sich selbst zu informieren. Man darf nicht erwarten, dass die Politiker*innen zu jedem kommen und für alles Lösungen haben, den Politiker*innen sind auch Menschen wie Du und Ich und haben auch nur einen 24 Stunden Tag. Wer Veränderungen möchte, muss selbst Kontakt zu Politiker*innen suchen, sich einbringen, mitmachen und eigene Lösungsvorschläge bringen.