Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Seit 2005 vertrete ich den Wahlkreis Anhalt im Bundestag und bin immer vor Ort ansprechbar. Mein Hauptwohnsitz ist Berlin. Ich pendele hin und her. Meine Sprechstunden biete ich seit fast 12 Jahren auf den Plätzen und Märkten im Wahlkreis an. Da bekommt man mit, was die Menschen bewegt. Meine Wahlkreisarbeit dokumentiere ich bei Facebook und auf meiner Homepage.

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Nach meinem Abi und dem Zivildienst in der Altenpflege im Diakoniekrankenhaus Georgsmarienhütte habe ich von 1999 bis 2005 an der Universität Hannover politische Wissenschaft, Soziologie und Geschichte studiert und 2005 meinen Abschluss als Magister Artium (MA) bestanden. Während des Studiums habe ich in der Gastronomie gearbeitet. Seit 2005 bin ich Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Innenausschuss. 2009 wurde ich in den Vorstand der Fraktion DIE LINKE im Bundestag gewählt und bis 2013 mit der Leitung des Arbeitskreises Demokratie, Kultur, Wissen und Bildung der Fraktion betraut. Von 2013 bis 2015 war ich Leiter des Fraktionsarbeitskreises V - Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Seit 2015 bin ich als stellvertretender Fraktionsvorsitzender u.a. zuständig für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion und für die Bund-Länder Koordination der LINKEN.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich bin in einem politischen Elternhaus aufgewachsen. Von daher war es recht logisch, dass ich als Jugendlicher in den 90er Jahren in der Schülervertretung, in der Jugendarbeit und im Stadtjugendring in Georgsmarienhütte aktiv geworden bin. Themen wie Mitbestimmung, Frieden und Gerechtigkeit waren schon damals wichtig für mich. 1996-1999 wurde ich als Nachwuchsgrüner Vorsitzender der Ratsfraktion von Bündnis90/Die Grünen im Rat der Stadt Georgsmarienhütte. 1999 bin ich dann u.a. wegen der Zustimmung zum Jugoslawienkrieg und ihrer Rechtsentwicklung bei den Grünen aus- und in die PDS s in Hannover eingetreten. Lothar Bisky und Dietmar Bartsch haben mich dann 2004 in die Bundespolitik geholt und mich gefragt, ob ich 2005 in Sachsen-Anhalt für den Bundestag kandieren möchte. Seit dem mache ich in meinem Wahlkreis Anhalt Politik.

Was treibt Sie an?

Vor allem die Ungerechtigkeit in der Welt. Solange weltweit täglich tausende Menschen verhungern, in Kriegen sterben oder unter entsetzlichen Bedingungen leben müssen, während wenige andere gar nicht wissen wohin mit ihrem ganzen Reichtum, kann ich mich nicht entspannt zurücklehnen.

Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Ich will auch weiterhin für die Menschen in meinem Wahlkreis aktiv und stets ansprechbar sein. Nur wenn man mit den Bürgerinnen und Bürgern im direkten Kontakt und Austausch steht, ihre Probleme und Sorgen kennt, kann man für und mit ihnen etwas bewegen. Ganz besonders am Herzen liegt mir die Situation der Kinder. Es kann doch nicht angehen, dass 2,5 Millionen Kinder – also nahezu jedes fünfte Kind - von Armut bedroht oder arm sind. Ich finde es unerträglich, dass 1,5 Millionen Kinder unter 15 Jahren von Hartz IV abhängig sind und sich seit Jahren an dieser Situation nichts ändert. Das kann so nicht bleiben und deshalb wird der Kampf gegen Kinderarmut auch weiterhin einer meiner Schwerpunkte sein. Und es wird endlich Zeit, dass die Löhne im Osten genauso hoch sind wie im Westen.

Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?

Die grassierende Armut bei Kindern und Senioren bekämpfen. Sachsen-Anhalt gehört da immer noch zu den Spitzenreitern. Es darf nicht sein, dass eine reiche Gesellschaft wie die unsrige die Schwächsten nicht genügend unterstützt. Für meinen Wahlkreis werde ich mich auch weiterhin überall dort engagieren, wo der Schuh drückt und der Bund zuständig ist, also u.a. bei Verkehrs- und Infrastrukturprojekten.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?

Soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und Frieden. Ich kann nicht akzeptieren, dass Kinder in Armut aufwachsen und gleichzeitig die Zahl der Millionäre und Milliardäre steigt. Ich kann nicht akzeptieren, dass für viele die Rente nicht mehr für ein Leben in Würde reicht, dass Jobs unsicher sind und viele Angst haben vor der Zukunft. Dass fast überall Geld fehlt, jedoch bei Rüstung und Krieg die Ausgaben verdoppelt werden. Zudem brauchen wir eine Verständigung mit Russland und keine Konfrontation.

Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?

Selbstverständlich gibt es bei der Demokratie Veränderungsbedarf. Demokratie lebt von der Auseinandersetzung und Veränderung. Bedenklich ist, dass die Zustimmung für die Demokratie seit Jahren zurückgeht. Viele bezweifeln, dass sich durch Wahlen etwas ändert. Wenn Kürzungspolitik und Schuldenbremse als alternativlos dargestellt werden, sinkt das Vertrauen in Demokratie: Was gibt es noch zu entscheiden? Wenn sich soziale Ungleichheit in politische Ungleichheit übersetzt, wird der Riss in der Demokratie tiefer. Ohnmacht, Verdruss, Unzufriedenheit und Ängste vor sozialem Abstieg. Es gibt also akuten Handlungsbedarf. Und Demokratie ist kein »fertiger« Zustand; Demokratie wird Tag für Tag von Bürgerinnen und Bürgern gelebt: auf allen Ebenen und in allen Bereichen - europäische, internationale wie kommunale Ebene bis hin zur Wirtschaft in der Kommune. Die Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, die Politik über Wahlen hinaus auch direkt zu beeinflussen, müssen deshalb erweitert und auch auf Bundesebene gewährleistet werden. Wir brauchen eine umfassende Demokratisierung der Demokratie. Ich bin deshalb für die Einführung von Volksinitiative und Volksbegehren auf Bundesebene, eine Reform der öffentlichen Verwaltung hin zu einer bürgernahen Verwaltung, den Ausbau demokratischer Strukturen in Wirtschaft und Arbeitswelt, mehr Transparenz und Ergänzung der Bürgerbeteiligungsverfahren um innovative Formen wie Runde Tische, Bürgergutachten sowie Bürgerforen.

Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?

Wir brauchen dringend mehr soziale Gerechtigkeit. Ich will ein Land, in dem man von der Arbeit sicher leben und die Zukunft planen kann. Ich will ein Land, in dem niemand Angst vor Armut haben muss. Ich will ein Land, in dem der Reichtum allen zugutekommt. Um dies zu erreichen darf man auch nicht davor zurückschrecken sich mit den Reichen und Mächtigen anzulehnen. Konkret fordert DIE LINKE deshalb u.a. 12 Euro Mindestlohn, gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern, Schluss mit Leiharbeit, die Anhebung des Rentenniveau wieder auf 53 Prozent, eine Mindestsicherung ohne Sanktionen, die Einführung der Vermögensteuer, die Senkung der Steuern für Menschen mit durchschnittlichen und niedrigen Einkommen, eine solidarische Gesundheitsversicherung in die alle einzahlen, einen Mietenstopp in angespannten Nachbarschaften, den Bau von zusätzlich 250 000 Sozialwohnungen im Jahr und das Verbot der Spekulation mit Wohnraum.