Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Mein gesamtes Leben lang – seit 18 Jahren. Zugegeben: ein Jahr Unterbrechung war dazwischen, als ich für ein Schuljahr in die USA flüchtete.

 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Ich besuche momentan das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Halberstadt in der zwölften Klasse. Ja, das war’s.

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich habe mich mit 16 entschieden, in die FDP einzutreten – das war bevor ich für ein Jahr in die USA zog. Meine Entscheidung für die Liberalen war wohl damals eine Liebesheirat auf den ungefähr zwölften Blick. Seit ich 14 war, wusste ich, dass ich in eine Partei eintreten wollte, um mich politisch zu engagieren.  

In den USA durfte ich dann die Primaries (Vorwahlen) miterleben, bei denen Donald Trump als republikanischer Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde. Schock Nummer 1. Wenig später holte die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 24 Prozent. Schock Nummer 2. Da war mir klar, dass ich mich politisch engagieren musste, um eben diesem Trend entgegenzuwirken. So bin ich letzten Sommer – frisch wieder in Deutschland angelangt – in die FDP eingetreten.

 

Was treibt Sie an?

Ganz praktisch: Meine Tasse Kaffee am Morgen.

Theoretisch gesehen: mein Glaube an die kumulative menschliche Kraft zur Veränderung. Wer kennt das nicht? Man schaut zusammen mit Freunden oder Familie die Nachrichten oder liest einen Artikel im Internet und beschwert sich lautstark Zuhause vor dem Fernseher, was denn den Politikern wieder einfiele, solch ein Gesetz zu beschließen. Das ist gut. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht nur meckern will, sondern etwas verändern. Ich war schon immer irgendwie ein Rebell. Der Meinung von vermeintlichen Autoritäten wollte ich mich nie beugen – das fing in der Grundschule an, vermutlich schon früher. Ich muss der reine Albtraum für meine Lehrer gewesen sein.

Ich habe seit jeher geschrieben – Tagebuch, Kurzgeschichten, Anekdoten aus meinem Leben, (pseudo-)wissenschaftliche Essays. Alles Mögliche. Ich fand Befriedigung darin, mir Parallelwelten zu erschaffen, idealisiert, utopisch, ganz nach meinen Vorstellungen. Ich rief mir stets in Bewusstsein, dass es ja leider unmöglich sei, dies alles umzusetzen. Irgendwann klickte dann ein Schalter bei mir. Warum eigentlich nicht? Warum verschwenden wir alle so viel Zeit damit, zu träumen, statt es zu tun – es zumindest zu versuchen? Ich will Dinge verändern, revolutionieren. Und ich glaube fest daran, dass das möglich ist, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Das ist mein Antrieb. Deshalb stehe ich jeden Morgen auf und toure durch den gesamten Wahlkreis, um mit möglichst vielen Leuten zu reden. Weil es satthabe, still dazusitzen und mich über Politik aufzuregen. Weil ich die Chance nutzen will, mich einzubringen. Und weil es genau jetzt Zeit für einen Politikwechsel ist – im Harz wie in Berlin.

 

Was haben Sie sich im Falle Ihrer Wahl in den Bundestag vorgenommen? Welche persönlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Aufräumen. Also nicht meinen Schreibtisch, sondern in der ätzenden Suppe der Politik. Es regt mich auf, wenn Dinge wieder und wieder versprochen werden und schlussendlich: passiert genau nichts. Daher trete ich auch an. Bevor ich andere Leute wähle, von denen ich mir nicht sicher bin, was sie tun, kann ich es genauso gut selbst versuchen.

Natürlich, es werden immer mal neue Gesetze verabschiedet, doch wie viele davon gehen bitte am Bürger vorbei? Und dann wundert man sich, wenn die Wahlbeteiligung niedrig ist oder die Menschen sich populistischen Parteien wie der AfD zuwenden. Selbst schuld.

Darum werde ich nichts versprechen. Ich bin absolut neu in der Politik. Es würde mir Angst machen, wenn ich etwas versprechen könnte. Ich sage nur so viel: Ich habe frische Ideen, ich bin mit Leidenschaft dabei und ich werde im Bundestag mein Bestes geben, um für unsere Region zu kämpfen. Ich werde mich unermüdlich für meine Ziele einsetzen und das vertreten, woran ich glaube. Das ist alles, was ich sagen kann.

 

Was wollen Sie für Sachsen-Anhalt und Ihren Wahlkreis im Bundestag bewegen?

drei Punkte:

1. weltbeste Bildung:

Wir lernen in Schulen von gestern, mit Lehrern von vorgestern und sollen damit die Probleme von übermorgen lösen. Irgendetwas an dieser Gleichung passt absolut nicht zusammen. Daher brauchen wir: ein einheitliches Bildungssystem für Deutschland, moderne Technik in unseren Klassenzimmern, individuelle Förderungsmöglichkeiten, freie Schulwahl, Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall, zusätzliche Lehrkräfte aus Technik und Wirtschaft und den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum.

2. ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit:

Das Ziel jeglicher Politik muss Freiheit sein. Wer unseren Rechtsstaat schützen will, darf ihn nicht gleichzeitig beschneiden. Daher: Nein zu Kameraüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und der Kontrolle privater Nachrichten. Denn Kameras schützen Sie nicht vor Terroranschlägen. Polizisten schützen Sie vor Terroranschlägen. Doch die Polizei ist unterbesetzt, schlecht ausgestattet und schiebt massenhaft Überstunden.

3. Echte Chancen für unsere Region:

Eine ernsthafte Bedrohung für unsere Region ist Abwanderung. Immer mehr junge Menschen verlassen die Gegend, da sie hier keine Zukunftsperspektiven sehen. Doch ich glaube an das Potenzial bei uns vor Ort. Sorgen wir also dafür, dass unsere Hochschulen konkurrenzfähig sind und Menschen hier attraktive Arbeitsplätze vorfinden. Es gilt durch den Abbau von Bürokratie und Zwangsabgaben bessere Bedingungen für Unternehmen zu schaffen.

Zudem benötigen wir endlich eine breite Repräsentation der jungen Generation. Gerade einmal zwei (!) von 691 Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind momentan unter 30 Jahre alt. Und die restlichen 689 Vertreter maßen sich ernsthaft an, beispielsweise die Bildungspolitik zu dominieren (ja, Bildung ist Ländersache, doch es ist die Entscheidung des Bundes, sich dort fein rauszuhalten), obwohl ihre Schulzeit gefühlte 200 Jahre zurückliegt. Leute wie mich zu fragen, die noch zur Schule gehen und jeden Tag hautnah die verkorksten Entscheidungen dieser Leute miterleben, wird erst gar nicht erwägt. Das ändert sich ab September – mindestens für den Harz.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen der kommenden Legislaturperiode und warum?

Das sind die drei Themen, die ich bereits oben beschrieben habe. Es wäre ja ziemlich merkwürdig, wenn ich mich für etwas einsetzen würde, was ich nicht als wichtig empfinde.

Bildung ist die einzige Ressource, die wir in Deutschland haben und das wichtigste Mittel, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Ohne Bildung können wir alles andere vergessen. Ohne Bildung brauchen wir uns keine Gedanken mehr um innere Sicherheit, Infrastruktur oder Forschung zu machen. Die Bundespolitik muss sich endlich einschalten und länderübergreifend echte Reformen schaffen.

 

Auch die bürgerliche Freiheit wird immer weiter eingeengt und ganz ehrlich? So weit sind wir von der Dystopie eines George Orwell nicht mehr entfernt. Wie sagte so schön Benjamin Franklin? Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Es wird nur Zeit, dass wir in diesen Punkten an der richtigen Stelle ansetzen. Denn wenn wir uns der Freiheit berauben lassen, haben die Terroristen, G20-Chaoten und Kriminellen wirklich gewonnen.

 

Wenn ich mich in meiner Heimatregion umschaue – wirklich umschaue – dann sehe ich wunderschöne Natur, geschichtsträchtige Bauten und eine reiche Kulturlandschaft. Doch wenn sich die demografische Entwicklung weiterhin so vollzieht wie bisher (woran wir kurz- und mittelfristig nichts ändern können), sind wir vom Aussterben bedroht. Ein bisschen Lokalpatriotismus sowie die richtigen politischen Maßnahmen müssen unbedingt her. Dafür braucht es vor allem erst mal ein Sprachrohr für unsere Region im Bundestag. Das will ich sein.

 

Wie stehen Sie selbst zur Demokratie in Deutschland, gibt es da Veränderungsbedarf?

Veränderungsbedarf gibt es immer. Direkte Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild zum Beispiel müssen her. Jede Bürgerin und jeder Bürger sollte sich an den grundsätzlichen Entscheidungen der Politik beteiligen können.

Natürlich gibt es immer wieder Aufschreie über Korruption in der Bundespolitik. Lobbyismus. Beraterverträge. Politiker, die heimlich in irgendwelchen Aufsichtsräten herumwerkeln. Inwiefern das berechtigt ist, kann ich von meinem Schreibtisch aus nicht beurteilen. Doch alles in allem haben wir in Deutschland eine wirklich leistungsstarke Demokratie – das sollten wir anerkennen und zu schätzen wissen. Im Vergleich zu den USA beispielsweise verfügen wir über ein florierendes Parteiensystem, in dem viele Seiten differenziert ihre Meinung verbreiten können. Die Parteizugehörigkeit bzw. das Wahlverhalten einer Person ist wenig polarisiert – auch CDU- und Linkewähler können mal zusammen einen trinken gehen. Darin sehe ich großes Potenzial. Gleichsam hat uns der Aufstieg der AfD – unabhängig davon, ob man das befürwortet oder nicht – gezeigt, wie schnell eine Partei aus dem Nichts die große Bühne erobern kann. In anderen Ländern würde das nicht funktionieren.

Bei aller Kritik und allem Meckern habe ich in hohes Maß an Respekt vor unserer Demokratie übrig, wofür viele Menschen jahrelang so hart gekämpft haben. Diese Möglichkeit können wir alle, in unserem Rahmen, nach bestem Wissen und Gewissen zu nutzen. Gleichzeitig ist es auch Teil unserer freiheitlichen Lebensweise, dies abzulehnen und nicht zu tun.

 

Was halten Sie persönlich für das größte Problem in unserer Gesellschaft und wie wollen Sie das lösen?

Soziale Ungerechtigkeit. Das oberste Ziel jeglicher Politik muss sein, jeden einzelnen Bürger so zu befähigen, dass er oder sie alles erreichen kann – Abitur, Meisterurkunde, Hochschulstudium, Selbstständigkeit... Die grundsätzliche Möglichkeit muss für jeden gegeben sein. Was jemand nun erreichen möchte, das ist eine andere Frage und die persönliche Entscheidung eines jeden – da hat die Politik überhaupt nichts mitzureden.

Diese gleichen Chancen jedoch, sind keine Realität. Ich weiß selbst, welche Steine Menschen beim Bildungsaufstieg in den Weg gelegt werden. Noch immer sind die meisten Studenten in Deutschland Kinder aus Akademikerfamilien. Noch immer ist es schwierig für Viele aus dem Hartz4-Minijob-befristetem-Arbeitsverhältnis-Kreislauf auszubrechen. Da muss sich etwas tun.

Die Lösung kann aber keine Umverteilungspolitik sein, wie das Parteien aus dem linken Spektrum stets fordern. Damit lindert man zwar erfolgreich die Symptome unseres ungerechten Systems, doch das System an sich bleibt genauso korrupt wie zuvor. Die Krankheit bleibt bestehen.

Wir brauchen echte Chancengleichheit von Beginn an, sodass jeder Mensch dieselben Startchancen hat, um eben alles zu erreichen. Nur an Hochschulen beispielsweise ansetzen, ist Augenwischerei. Wir müssen das Fundament ändern. Chancengleichheit beginnt in den Kindergärten, Grundschulen und Elternhäusern und erstreckt sich über die Spanne des gesamten Lebens.